Hybridluftschiffe Eine technische und anwendungstechnische Betrachtung

Es klingt verlockend, die Vorteile der Schwerer-als-Luft-Technologie, der Flugzeuge und Hubschrauber, zur Leichter-als-Luft-Technologie hinzuzufügen, beide Techniken zu vermählen. Die Frage ist: ergänzen sich die Vorteile oder addieren sich die Nachteile?

Die Idee

Luftschiffe, vor allem große, üben von jeher eine starke Faszination aus. Großluftschiffe, insbesondere von Zeppelin, aber auch Schütte-Lanz oder die vielen großen Blimps der US-Navy zeigten, was mit großer Leichter-als-Luft-Technik möglich ist. Sie sind energieeffizient in der Luft zu halten, langstreckentauglich und durchaus wetterfest.

So gibt es immer wieder neue Luftschiffprojekte. Schaut man sich diese Projekte an, die meist zunächst als Computergrafik das Licht der Welt erblicken – was ja nicht negativ zu bewerten ist, schließlich benötigt so ein Projekt Geldgeber – so fällt auf, dass man sich selten auf die „klassische“ und bewährte (historische) Luftschiffform beschränkt. Meist sehen die Luftschiffe etwas „schnittiger“ aus, vermeintlich moderner. Begründet wird das damit, dass man bei entsprechender Formgebung einen kräftigen dynamischen Auftrieb erzeugen kann. Die Hauptargumente dafür lauten: Erhöhung der Nutzlast ohne Vergrößerung des Volumens, höhere Geschwindigkeit und Einsparung von Sprit im Streckenflug und auch im Hinblick auf Start und Landung wäre ein gewisser dynamischer Auftrieb wünschenswert. Beim Start sollte das Luftschiff leicht sein, doch da ist es normalerweise beladen und hat auch noch Kraftstoff für die Reise an Bord. Bei der Landung sollte es möglichst schwer sein, damit es sicher zu Boden kommt, doch die Tanks sind dann leerer und somit leichter. Und überhaupt ist es ja das Problem bei Lastenluftschiffen, Auftrieb und Last beim Be- und Entladen in Einklang zu bringen.

Dynamischer Auftrieb beim Luftschiff

Zum aerostatischen Auftrieb tritt also die zweite Komponente aerodynamischer Auftrieb. Dieser aerodynamische Auftrieb soll in vielen Fällen durch die Formgebung des Luftschiffes erzeugt werden.

Nun bedarf es nicht einer ausgesprochenen Tragflächenform, um aerodynamischen Auftrieb zu erzeugen. Auch herkömmliche Luftschiffe nutzen dynamischen Auftrieb, denn er existiert auch dort. Die LZ-127 Graf Zeppelin hatte z.B. während normalen Reiseflugs bei einer Geschwindigkeit von gut 100 km/h einen dynamischen Auftrieb für rund 5 Tonnen Masse, was in die Reiseberechnungen einfloss. Die amerikanischen Navy-Blimps nutzten ihren dynamischen Auftrieb für sog. Radstarts: Ein Start mit einer gewissen Geschwindigkeit erlaubte es, mehr Sprit beim Start an Bord zu haben und damit die Reichweite zu erhöhen. Das war gängige Praxis. Auch die Antriebseinheiten allein können für dynamischen Auftrieb sorgen: Die SkyShips (der CargoLifter „Charly“ war ein SkyShip 600) haben schwenkbare Triebwerke, um schneller starten und landen zu können. Die entsprechenden Auf- bzw. Abtriebskräfte werden mit der Ausrichtung der Triebwerke nach oben bzw. unten erreicht. Noch wirksamer ist das beim Zeppelin NT-07 mit seinen außen angebrachten Schwenktriebwerken und auch das Experimentalluftschiff P-791 von Lockheed Martin setzt auf diese Technik (0113255).

Dynamischer Auftrieb ist für Luftschiffe also ohnehin nicht fremd. Lohnt es sich, diesen weiter zu vergrößern?

Hybridluftschiff – noch mehr dynamischer Auftrieb

Zunächst einmal ist beim Luftschiff (bisher) der größte Teil des Auftriebs aerostatisch. Einige wichtige Sachverhalte dazu sind Lesern der LifterNews bekannt, z.B. die Erhöhung des Volumens (und damit des Gewichts und der Trägheit) in 3. Potenz, wogegen die Oberfläche und damit die Angriffsfläche für äußere Kräfte nur in 2. Potenz steigt. Je größer das Luftschiff ist, desto unempfindlicher wird es z.B. gegen Windböen – so, wie ein Kreuzfahrtschiff unempfindlicher gegen Wellen ist als ein kleines Boot.

Konstruktive Folgen

Die Ergebnisse dieser Rechnung sind weitreichend, denn die aerodynamischen Flächen wachsen demzufolge nur mit dem Quadrat der Abmessungen, unterproportional zu den aerostatischen Kräften und den Trägheitseffekten. Der aerodynamische Anteil wird immer weniger relevant, je größer das Luftschiff ist. Je größer man ein Hybridluftschiff bauen will, desto stärker muss man den aerodynamischen Effekt hervorheben, z.B. durch Abplattung des Luftschiffes, tragflächenähnliche Gestaltung, Anbau von Tragflächen etc. Die Luftschiffform wird also komplizierter, die Anforderungen an die Konstruktion höher. Aber gerade für die großen Luftschiffe wollte man diese Technik ja nutzen! Und es gibt noch weitere Folgen:

Der aerostatische Auftrieb ist vom Volumen des Traggases Leichter-als-Luft abhängig. Er wirkt immer senkrecht nach oben, ganz unabhängig von der Lage des Fluggeräts. Ganz anders sieht das beim aerodynamischen Auftrieb aus. Dieser wirkt senkrecht zur Anströmungsrichtung, ist also z.B. von der Lage des Fluggeräts abhängig. Ein Flugzeug wird schräg gelegt und durch die per aerodynamischem Auftrieb entstehende Zentripetalkraft in die Kurve gezwungen. Ein sauberes „in die Kurve legen“ ist beim Luftschiff schwieriger. Die rotatorische Trägheit des Luftschiffes wird immer geringer, je größer das Luftschiff ist. Deshalb wirken ja z.B. die außen angebrachten Schwenktriebwerke beim Zeppelin NT-07 so gut. Ein schrägliegendes Hybridluftschiff hat nun jedoch aerostatischen Auftrieb nach oben und aerodynamischen Auftrieb entsprechend der jeweiligen Schräglage. Wie die ersten Versuche zeigen, ist diese Technik gar nicht einfach zu beherrschen. Stabilisierend wirkt beim konventionellen Luftschiff die unten angebrachte Kabine bzw. Nutzlast. Bei einem flachen Luftschiff ist die Wirkung dieser Stabilisierung viel geringer, denn die Nutzlast liegt viel näher am Schwerpunkt. Und so war es auch ein erstes größeres Problem des Prototypen P-791 von Lockheed Martin, dass das Luftschiff trotz rotierbarer Antriebe nicht einfach stabil zu manövrieren war. Dies wurde wohl letztendlich nur durch eine aufwendige Computersteuerung der Antriebe erreicht, wobei unbekannt ist, wie gut diese bisher tatsächlich funktioniert. Die in der AIRSHIP Dezember 2013 S. 25 veröffentlichten Kommentare, dass die in den Videos sichtbaren Instabilitäten vor allem auf die besonderen Bedingungen in der Wüste (Turbulenzen) und den Umstand zurückzuführen sind, dass die Piloten natürlich erst lernen müssen, mit so einem neuartigen Luftfahrtgerät umzugehen, erscheinen zwar schlüssig – das ändert jedoch nichts an dem physikalischen Grundproblem.

Folgen bei der Nutzung

Bei der Nutzung sollen laut den Befürwortern der Hybridluftschiffe die eigentlichen Vorteile liegen. Hybridluftschiffe sind schneller und können ihren Auftrieb mit der Geschwindigkeit in nennenswertem Umfang regeln, z.B. um Lasten ohne Regelung des aerostatischen Auftriebs (Gas ablassen, Komprimierung) oder Änderung von Ballast tragen und absetzen zu können. Es ist nur das überschüssige Gewicht gegenüber dem aerostatischen Auftrieb zu tragen, so dass kurze Startstrecken und sehr große Steigwinkel möglich sind, die eher durch Regelungsprobleme (Druck, Ventile, Temperatur) und die zulässige Neigung des Luftschiffs begrenzt werden.

Hier ist nun ein Blick auf den Markt angebracht. Abgesehen von einigen schicken „Wolkenkuckucksheim-Projekten“ wie Hotel-Luftschiffen, sind die meisten derzeitigen Vorhaben militärisch ausgerichtet. Es sollen z.B. Truppen und Gerät transportiert werden. Sieht man sich an, wie dies heute geschieht (Flugzeuge, Schiffe), so muss ein Luftschiff als Alternative schon wirklich sehr, sehr groß sein. Dieses „Monster“ muss dann auch noch Vorteile gegenüber ein paar Flugzeugen besitzen, also möglichst dort Landen können, wo eben keine Flugplätze oder Häfen/Ufer sind. Mit einem reinrassigen LTA-Gerät kann man sich das noch vorstellen. Ein riesiges Hybridluftschiff braucht wenigstens Platz zum Landen – und wieder Starten; nun, vielleicht eine schöne Wüste.

Sieht man sich Start- und Landevorgänge an, kommt schon die nächste Herausforderung. Das Landen eines Luftschiffs mit auch nur mäßigem Seitenwind ist fast unmöglich. Hybridluftschiffe brauchen zwar eine kürzere Landestrecke als Flugzeuge, doch dieser Vorteil wird dadurch wieder eingeschränkt, dass sie einen „Landekreis“ benötigen. Sie müssen nämlich praktisch immer direkt – und nicht schräg – gegen den Wind starten und landen.

Andere Ansätze

Es gibt nicht nur den Ansatz des Hybridluftschiffs in Tragflächenform. Boeing wollte mit dem Projekt SkyHook ein Luftschiff entwickeln, das mit 4 Hubrotoren ausgestattet ist. Es sollte sich selbst aerostatisch tragen, die Last mit den Rotoren aerodynamisch (0113243). Das hochkomplexe Projekt wurde inzwischen eingestellt. Weitere Bemühungen zielen darauf ab, den Auftrieb durch (De-)Komprimierung des Traggases zu regeln (z.B. beim Aeroscraft: 0113244). Diese Technik benötigt schon für sich selbst viel Tragkraft für die Tanks und Kompressoren, aber auch viel Energie für den Kompressionsvorgang. Der Erstflug eines Testträgers ist inzwischen erfolgt. Mit der verwendeten Helium-Kompressionstechnik an Bord wird sich demnächst ein weiterer Artikel befassen.

Fazit

Es ist nicht schwer vorauszusagen, dass in absehbarer Zeit keine Großluftschiffe auf Hybridbasis marktreif werden. Die Komplexität dieser Technik ist hoch, das Beherrschen der Flugeigenschaften schwierig. Angefangen von einer aufwendigen Hüllenkonstruktion über die computergestützte Steuerung bis hin zu dem Nachteil, dass ein Hybridluftschiff mit Last eben eine Start- bzw. Landestrecke benötigt, was verschiedene Ziele unerreichbar macht, reichen die sofort sichtbaren Probleme. Für Luftschiffe, hier vor allem Transportluftschiffe, erscheint nur ein ganz bestimmter Markt sinnvoll, der Markt, den CargoLifter bereits seit 1995 im Auge hat. Dazu bedarf es der Vorteile herkömmlicher Leichter-als-Luft-Technik, dem Starten und Landen ohne Bahnen, dem Lastabsetzen ohne Landung, an jedem Platz, an dem eine Alternativlast zur Verfügung steht; und falls nicht: notfalls kann auch Wasserstoff abgelassen werden. Luftschiffe sind wie Flugzeuge hochkomplexe Luftfahrtgeräte. Man sehe sich nur an, wie lange die Entwicklung neuer Flugzeuge dauert und welche Probleme dabei auftreten. Für die (wieder) neue Technik der Luftschiffe sollte man sich auf die Kernvorteile besinnen und diese konsequent nutzen. Ob eine „Hybridisierung“ nach und nach Vorteile bringen kann, wird sich in entfernterer Zukunft zeigen. Erfolgversprechender ist die Linie der optimalen Ausnutzung der aerostatischen Tragfähigkeit für die Last und der Vorteile der reinen Leichter-als-Luft-Technik – und zwar so einfach wie möglich! Mit 1 Kubikmeter umgepumptem Wasser kann man 1 Tonne Fracht ausgleichen. Da ist es doch vielleicht einfacher, das Problem durch Planung am Boden zu lösen als ständig aufwendige Technik mit sich rumzuschleppen.

Andreas Werner (aw)